Die Bischnoi - Fotos von  Hans-Jürgen Otte  \Todas Fotos von  Clemens Kuby

Vegetarisch lebende Naturvölker - Seite 1

 

Die TODAS von den Nilgiri-Bergen in Indien

Die Todas leben von der Milch ihrer Büffel und von dem, was ihnen der Wald gibt. Da sie keine Schrift und keine Schule kennen, leben sie ganz aus der Erzähltradition. Sie lernen das, was sie wissen müssen von ihren Ältesten und von der Natur selbst.
Die Kinder rufen sich gegenseitig mittels Sonnenspiegeltechnik zur Erzählstunde mit den Ältesten zusammen. Die Mädchen gehen mit den älteren Frauen in den Wald, um dort zu lernen, welche Pflanzen essbar sind, welche für Heilzwecke verwendet werden können und wie sie anzuwenden sind.

Die Jungs lernen von ihren Vätern, den Tempel heilig zu halten, die Kühe zu achten und sie zu melken. Sie lernen, wie man aus der Milch Butter herstellt, da die Milch nicht so getrunken wird. Für die Mädchen ist diese Tätigkeit tabu.

Die Todakinder geben ihren alten Menschen hohen Respekt und leben mit ihren Ahnen(Innen) in engstem geistigen Kontakt.

Ihre wichtigste Aufgabe ist die Pflege der Gemeinschaft, das Wohlergehen jeder und jedes Einzelnen. Die Toda-Frauen sind starke, strahlende Persönlichkeiten. Männer und Frauen haben klar getrennte Aufgaben.

Die einzige Problematik, welche die Frauen für sich sehen, ist das Tabu - den Tempelbezirk nicht betreten zu dürfen und auch die Milchwirtschaft nicht anrühren zu dürfen - das ihnen von den Männern auferlegt wurde. Diese glauben, dass die Frauen aufgrund ihrer Menstruation unrein sind. Die Frauen sehen ihre Menstruation als Zeichen der Fruchtbarkeit. Um die Lösung dieses Tabus sind die Todafrauen sehr besorgt. Eines der größten Gefahren für das Volk der Toda ist der Drang der Männer, in die Stadt zu gehen. Sie fühlen sich von den modernen Dingen, anderen Sitten und Glaubensrichtungen angezogen, die das Überleben der Todas und ihrer Tradition stark gefährden...

Die Bischnois von Rajastan in Indien

von Hans-Jürgen Otte, der die Bischnois besuchte - im ausführlichen Originaltext nachzulesen bei: http://www.vegetarismus.ch

Seit Jahrhunderten hat eine indische Gemeinschaft in der Wüste überlebt. Sogar die momentane Dürre, die sich für andere katastrophal auswirkt, bedeutet für sie kein Unheil.

Die Bishnoi sind eine wohlhabende und blühende Gemeinschaft in diesem kargen Terrain. Ihre Religion, vor über 500 Jahren von dem Reform-Heiligen Jambeshwar gegründet, ist aus der Wüste geboren. Ihr Glaube ist tief verwurzelt in der Teilhabe des Menschen an der Natur, in der er lebt. Die Anfänge des Glaubens der Bishnoi waren nicht leicht. Tausende flohen damals aus Rajasthan vor Hunger, Durst und Tod. Jambeshwar versprach ihnen das Überleben, sogar Wohlstand, wenn sie mit Achtung gegenüber Mensch und Natur hart und geduldig arbeiten. Jambeshwar meditierte darüber an einem Ort namens Sambhara, heute vollziehen dort Pilger ihre Riten zu seinem Gedächtnis.

Die Liebe der Bishnoi zu pflanzlichem und tierischem Leben hat sich im Laufe der Zeit keineswegs abgeschwächt. Seit 500 Jahren legen Wärter auf Plattformen Wasser und Futter für Vögel und Vierbeiner aus, jeden Tag. Wo immer Bishnoi-Gemeinschaften Zonen unberührbarer, "heiliger" Natur beschützen, ist das täglich Routine, das ganze Jahr über. In solchen Schutzgebieten streifen scheue Tiere, wie Schwarzböcke, Chinkaras und andere Antilopen ohne Angst umher.

Bishnoi wohnen in Dörfern mit anderen Gemeinschaften zusammen. Aber in der Nähe ihrer Felder hegen sie Gebüschzonen, die sie "dandhi" nennen, das sind kleine Naturschutzgebiete. Jäger fürchten sich, in solche Zonen zu geraten, denn Bishnoi-Männer werden ziemlich böse, wenn sie Wilddiebe erwischen. Immer wieder, bis in die jüngste Zeit, hört man von Bishnoi, die zum Schutze der Tiere gegen Jäger und Wilddiebe ihr Leben aufs Spiel setzen. Und natürlich töten sie niemals ein Tier oder essen sein Fleisch. Sie lassen Tiere gelten, wie sie sind, als Verwandte in Gottes Schöpfung.

Die Bishnoi dringen mit den Fingernägeln in die Rinde des Khejri-Baumes, ohne ihn dabei zu verletzen. Eine Berührung mit dem anderen Leben. Der Khejri-Baum ist das Bishnoi-Symbol des Auskommens in der Wüste. Bei jedem Tempel wächst ein solcher Baum, oft mitten durch das Bauwerk hindurch.

Gesundheit ist den Bishnoi ein hoher Wert, der auch zur Achtung des Lebens gehört.

Die Bishnoi sind heute eine wohlhabende Gemeinschaft. Viele sind Bauern und Milchhändler, oft beneidet von anderen. Doch niemals betrachten die Bishnoi ihren Erfolg als Selbstverständlichkeit, sondern als Ergebnis der Balance von Nehmen und Geben.

Viele Riten sind erdbezogen. Man schaufelt kleine Sandhügel auf und verbindet mit dem Gedenken der Erde persönliche Gebete und Bitten um eine gute Ernte. Doch nach jeder Ernte gibt man der Erde und den Tieren das ihrige zurück. 30 - 40 Kilo Korn legt jeder beiseite für die gemeinschaftlichen Futterplätze, gemäß den Lehren des Jambeshwar.

"Tiere haben dasselbe Recht auf die Früchte der Erde, darum gib sie ihnen - gedenke, du lebst mit ihnen auf demselben Planeten. Darum versage ihnen ihren Anteil nicht."

Doch nicht nur die Schranken zwischen Mensch und Tier, sondern auch die zwischen den Menschen selbst, versuchte Jambeshwar vor einem halben Jahrtausend abzubauen.

Die Bishnoi stellen auch noch in anderen Punkten ein Modell für das indische Volk dar: Sie erkennen das Kastensystem nicht an und beide Geschlechter können gleichberechtigt arbeiten. Sie befürworten außerdem die Familienplanung. Die Bishnoi kennen keinen Egoismus, was das Wasser angeht. Es sind zwar sie, die die Seen nahe den Dörfern anlegen, sie unterhalten, jährlich von Schlick reinigen und mir Khejri-Bäumen umpflanzen, aber jeder kann die Seen frei benutzen, Menschen so gut wie Tiere.

Auch Schlachttiere wie Ziegen und Schafe, die den Bishnoi tabu sind, können ihren Durst hier stillen. Die Bishnoi selbst halten solche Tiere nicht, weil es oft keine andere Möglichkeit gibt, als sie irgendwann zu töten.

Die Bishnoi verstehen auch die Gefahr von unkontrolliertem Weiden von zuviel Vieh. Sie haben noch nie Schafe oder Ziegen gehalten, wegen der Auswirkung, die diese Tiere auf die Umwelt haben.

Den Erlassen des Jambeshwar folgend, wird ein Bishnoi niemals ein Tier oder einen Baum töten. Als Vegetarier essen sie nach Einbruch der Dunkelheit nichts mehr, um zu vermeiden, daß ein Insekt in ihr Essen gelangen und aus Versehen gegessen werden könnte.

Viele Bishnoi haben ihr Leben gegeben in dem Versuch, Wilderer daran zu hindern, Tiere zu töten. Solches Märtyrertum im Namen von Tieren und Pflanzen hat es zuvor in der Welt noch nie gegeben, selbst in einer Gesellschaft wie Indiens, die Kühe verehrt und viele andere Tierarten respektiert, da die Menschen größtenteils an die Wiedergeburt und Gewaltlosigkeit glauben.

Kamele bringen in Behältern Wasser zu den Menschen, die weit entfernt leben. Das Gebundensein an Wasserlöcher ist die Bedingung des Wüstenlebens. Wasser ist knappe Ware und Landwirtschaft in der Wüste hängt von nicht vorhersehbaren Regenfällen ab. Dessen bewußt, hatte Jambeshwar die Milchwirtschaft empfohlen. Heute ist sie das Rückrat der Bishnoi-Wirtschaft. Die Tiere werden jedoch nur zur Milcherzeugung genutzt, niemals geschlachtet.

Selbst in der schlimmen Trockenzeit der 80er Jahre fühlte kein Bishnoi die Notwendigkeit wie andere, aus Rajasthan zu emigrieren.

Viele Bishnoi sind ungebildet und folgen einfach blindlings den Geboten ihrer Religion. Die einfache Tatsache ist für sie, daß diese Lebensweise immer genügend Korn, Milch und Butter erbracht hat, ohne die empfindliche Umwelt zu beschädigen. Ein mit allem Lebendigen harmonisierender Lebensstil hat sich in religiösen Glaubenssätzen und Lehren verdichtet und diese Regeln, so glauben die Bishnoi, lassen sie nicht fehlgehen.

Viele Verse Jambeshwars und seiner Schüler sprechen von Bäumen, speziell vom Khejri-Baum, mit dem botanischen Namen "Prosopis cineraria".
"Laßt uns einfühlsam mit allem Lebendigen umgehen. Darum beschneidet niemals einen grünenden Baum. Alle Bäume sollen mit Liebe gehegt werden..."

Das 23. Gebot besagt: beschneide niemals einen grünenden Baum. Aber Bishnoi-Frauen lassen sogar vertrocknete Bäume unberührt. Allenfalls lesen sie einmal abgefallene vertrocknete Zweige vom Boden auf...

Dies alles, um der Natur so wenig wie möglich zu schaden und kein Leben zu zerstören.

"Betrachtet dies sorgfältig: wenn ihr maßvoll Lebt, der Gier aus dem Wege geht und hart arbeitet, wird diese Erde immer Früchte tragen. Ihr werdet immer genug haben und mehr. Haltet das im Sinn, seid klug. Dann werdet ihr glücklich sein."
Und glücklich scheinen sie zu sein. Mit genügend Nahrung, Gesundheit, Gold und einer unbeschädigten Umwelt. Einmalig auf der Welt ist wohl, wie Bishnoi-Frauen verletzten oder mutterlosen Antilopen-Babys die Brust gegeben und sie mit den eigenen Kindern zusammen großgezogen haben.

Hinter all diesen Dingen steht ein gemeinsamer Glaube: daß allen Tieren und Pflanzen von der Schöpfung her dieselbe Erlaubnis zukommt, zu leben, wie den Menschen. Daß sie gleiche Rechte haben. Daß der Verstand den Menschen so weit aus dem Tierreich auch wieder nicht heraushebt. Daß Leben in jeder Form so kostbar ist, daß es allen Einsatz und alle Liebe lohnt, bis hin zum eigenen Leben. Wie vor langer, langer Zeit die 363 Bishnoi.